Jeder hat ein paar und die meisten von euch, die diesen Artikel gerade lesen, sind wahrscheinlich gerade von ihnen umgeben. Die Rede ist von Möbeln, für die die Deutschen jedes Jahr gut 16 Milliarden Euro auf den Tisch (auch wieder ein Möbelstück, so schließt sich der Kreis!) legen. Das teuerste Möbelstück der Welt ist übrigens das Badminton Cabinet, das für 27,4 Millionen Euro den Besitzer gewechselt hat. Aber im heutigen Interview soll es nicht ums Geld, sondern um das Aussehen gehen. Denn was mit Jeans geht, geht auch mit Möbeln. Leonie erklärt uns auf ihrem Blog und im Interview den Shabby Chic Look, in dem man Möbel gezielt gebraucht aussehen lässt. Aber lest selbst.
Was genau bedeutet Shabby Chic?
Shabby heißt übersetzt „schäbig“ oder „heruntergekommen“. Das hört sich in Verbindung mit dem Wort „Chic“ erst einmal widersprüchlich an. Aber genau dieser Gegensatz ist es, der Shabby Chic zu etwas besonderem macht. Bei diesem Stil geht es darum, Möbel und Wohnaccessoires bewusst alt und verbraucht erscheinen zu lassen um ihnen so ein interessanteres Aussehen zu verleihen. Solche Möbel zeichnen sich meist durch zarte Pastell- und Naturtöne aus, durch geschwungene Linien und verspielte Details.
Was magst du daran?
Für mich ist Shabby Chic mehr als die Beschreibung eines Einrichtungsstils. Es ist ein Lebensgefühl, das Leichtigkeit ausdrückt. Es geht um die guten alten Zeiten, um Gemütlichkeit, Frühling und Sommer, Romantik und Natur. Ich kann ein Möbelstück im Shabby Chic Stil endlos lange ansehen, weil es durch seine Unvollkommenheit so interessant ist. Ein echtes Shabby Chic Möbelstück erzählt eine Geschichte und wirkt lebendig. Ganz anders als die neuen und perfekten Möbel, die man heutzutage überall zu kaufen kriegt.
Sind Shabby Chic Möbel allesamt selbstgemacht oder gibt es die auch im Laden zu kaufen?
Was für Werkzeuge braucht man alles um Shabby Chic Möbel zu kreieren?
Im Grunde braucht man nicht viel Werkzeug. Man braucht Pinsel in verschiedenen Größen, vielleicht noch etwas um die Farbe umzurühren und Schleifpapier. Das ist alles. Dazu benötigt man dann nur noch Farbe, eventuell eine Grundierung und einen Klarlack oder Möbelwachs zur Versiegelung.
Braucht man dafür besonderes handwerkliches Geschick oder kann das jeder?
Das Schöne an Shabby Chic ist, dass es perfekt ist, wenn es nicht perfekt ist. Und gerade deswegen braucht man wirklich nicht besonders begabt zu sein, was das handwerkliche Geschick angeht. Ein bisschen Spaß beim Umgang mit Farben reicht schon als Voraussetzung um ein tolles Shabby Chic Objekt zu kreieren.
Kann man jedes Möbelstück verwenden oder geht das nur mit bestimmten?
Theoretisch kann man jedes Möbelstück verwenden. Aber natürlich eignen sich die einen Möbelstücke besser als die anderen. Bei Shabby Chic geht es auch um Formen, verspielte Schnörkel und geschwungene Linien. Deshalb wird ein alter Chippendale Schrank oder ein barocker Stuhl am Ende immer etwas schöner wirken als beispielsweise eine einfache kastenförmige Kommode. Grundsätzlich kann man aber auch diese mit ein bisschen Phantasie sehr schön gestalten.
Nimmt man da eher ein bereits fertiges Möbelstück oder kann man auch direkt ein neues bauen?
Am einfachsten und schnellsten geht es mit dem Shabby Chic Look natürlich immer, wenn man ein bestehendes Möbelstück nur noch anmalen muss. Aber natürlich kann man auch gleich das ganze Möbelstück selbst bauen oder auch bestehende Möbel umbauen. Ich habe beispielsweise bei einem meiner ersten Projekte aus einem alten Couchtisch eine Deckenlampe gebaut. Bei einem anderen Projekt habe ich aus einem alten Spiegelrahmen und einer Messinglampe eine ganz neue Lampe entworfen. Und bei meiner Wandbildcollage XXL habe ich im Baumarkt Bretter gekauft, um daraus die Unterkonstruktion zu bauen.
Was sind hauptsächlich die Dinge die man an einem Möbelstück machen muss für einen Shabby Chic Look?
Das Standardvorgehen bei der Bearbeitung eines Möbelstücks sieht so aus: Als erstes wird es vorbereitet, das heißt gereinigt und eventuell angeschliffen. Danach folgt eine Grundierung, wenn erforderlich und dann der Farbauftrag, entweder mit Kreidefarbe oder ganz normalem Acryllack.
Dann geht es im nächsten Schritt darum, das Möbelstück alt aussehen zu lassen. Das heißt jetzt kommt das Schleifpapier zum Einsatz. Es werden Ecken, Kanten und hervorstehende Teile, wie zum Beispiel Schnitzereien abgeschliffen, so dass dort die Farbe wieder abgetragen wird. Am Ende erfolgt dann immer noch eine Versiegelung, entweder mit Klarlack oder mit Möbelwachs. Natürlich gibt es noch unendlich viele Möglichkeiten dieses Vorgehen abzuwandeln, indem man zum Beispiel mehrere Schichten Farbe in verschiedenen Tönen aufträgt, so dass sich ein Multicoloreffekt ergibt.
Welchen Look sollten dann die restlichen Möbel haben? Gibt es da Stile die sich beißen?
Ich sage immer, erlaubt ist, was gefällt. Ich persönlich liebe den Shabby Chic Stil, allerdings mag ich nicht zuviel davon auf einmal. Denn ein Wohnzimmer, das nur aus Shabby Chic Möbeln und Accessoires besteht, wirkt für mich schnell überladen und auch ein wenig erdrückend. Daher mische ich sehr gerne moderne Möbel, zum Beispiel solche mit weißen Hochglanzfronten mit meinen Shabby Chic Möbeln. So entsteht ein spannender Kontrast und die einzelnen Shabby Chic Objekte können sehr gut wirken. Aber natürlich kann man Shabby Chic auch mit allen möglichen anderen Stilrichtungen mischen, sei es Industrial Chic, Norwegisches Design oder sogar mit asiatischen Möbeln. Trotz der Gegensätze kann man mit ein wenig Geschick ein harmonisches und gleichzeitig besonders interessantes Gesamtbild erzeugen.
Bilder: Titelbild: Clker; Bilder im Artikel: Leonie/shabby-it-yourself.de