Deutschland ist nicht nur Weltmeister im Fußball, sondern auch im Urlaub machen. Aus den 30 gesetzlichen Urlaubstagen machen wir mit 54,8 Millionen Urlaubsreisen jährlich eine ziemlich gute Ausbeute. Wer einmal etwas anderes machen will als Strand und Sightseeing, der könnte einmal Frachtschiff-Reisen ausprobieren. Mein heutiger Interviewpartner Bernd, der als Autor und Fotograf tätig ist, kann uns darüber mehr erzählen. Er hat unter anderen ein Buch über Frachtschiff-Reisen geschrieben und kennt sich auch sonst gut mit dem Meer und Schiffen aus, wie ihr auf seiner Webseite sehen könnt. Im Interview gibt’s mehr.
Wie bist du auf die Idee gekommen, ein Buch über Frachtschiff-Reisen zu schreiben?
Bevor ich mich als Fotograf und Autor selbstständig gemacht habe, war ich jahrelang mit der Finanzierung des Tiefwasserhafens in Wilhelmshaven befasst, dem JadeWeserPort. Die Leute von der Hafenwirtschaft haben damals gemeint, dass ich erst das “richtige Gefühl” für dieses Projekt bekäme, wenn ich auch mal auf einem Containerfrachter mitfahre. Jau, das habe ich mir nicht zwei Mal sagen lassen. So angefixt, wurden aus einer Reise insgesamt neun. Darüber habe ich dann immer wieder Reportagen geschrieben und zusammen mit meinen Fotos an Magazine, Zeitschriften und so weiter verkauft. Da lag es dann nahe, aus all dem Material ein Buch zu machen – ergänzt um Interviews, Serviceteil, Hintergründe. So kam das.
Wie läuft so eine Reise dann ab? Ist man dann einfach den ganzen Tag irgendwo an Deck oder arbeitet man da als Teil der Crew mit?
Die Zeiten, wo man sich eine Passage selbst erarbeiten konnte, sind längst vorbei. “Hand gegen Koje” gibt es heute nicht mehr, schon aus arbeits- und sicherheitsrechtlichen Gründen nicht. Du bist Passagier und Tourist an Bord. Aber in das Bordleben voll integriert, weil die Crew natürlich so weitermacht wie immer. Seefahrt zum Anfassen also. Mittendrin im Geschehen, hautnah dran.
Ist man dann unter anderen Touristen oder alleine?
Frachtschiffe sind ja nicht für Passagiere gebaut. Deshalb sind immer nur ganz wenige Kammern (so heißen die Kabinen dort) überhaupt frei und können für touristische Zwecke genutzt werden. Auf den kleinen Zubringerschiffen, die in Nord- und Ostsee unterwegs sind, sind das maximal drei Gäste. Ich war mehrfach mit einem Kumpel an Bord, ein Mal mit meiner Frau, sonst immer allein.
Wie lange ist man da unterwegs?
Ich selber habe nur Törns “vor der Haustür” unternommen, die dauerten dann zwischen einer Woche und zehn Tagen. Aber man kann auch ganze Weltumrundungen, die Monate dauern, buchen. Oder “one way”-Passagen nach Australien oder Südamerika. Die Möglichkeiten sind sehr vielfältig. Selbst auf einigen (ganz wenigen!) Binnenschiffen kann man mitfahren. Anfänger sollten aber nicht gleich eine Weltreise buchen!
Was macht Spaß an Urlaub auf dem Frachtschiff?
Eine bessere Art, Seefahrt, Containerlogistik und Hafenabläufe kennen zu lernen, gibt es nicht. Weil Du alles aus unmittelbarer Nähe mitbekommst. Es ist erlaubt, so oft und so lange man will, auf der Brücke dabei zu sein. Man kann es sich aber auch draußen irgendwo auf dem Deckshaus gemütlich machen, Bücher lesen, Sudokus lösen. Tja, und beim Essenfassen ist eben jeden Abend Captain’s Dinner, weil man in der Messe mit den Offizieren zusammen sitzt. Man lernt Menschen aus aller Herren Länder kennen – auf meinen Reisen habe ich Crewmitglieder aus insgesamt sechzehn Nationen getroffen. Multikulti. Aber: ein Frachtschiff ist im Gegensatz zum Kreuzfahrer eine animationsfreie Zone. Man muss mit sich selbst etwas anzufangen wissen. Das Alleinsein genießen können. Abschalten. Wenn es von den Liegezeiten her passt, kann man natürlich auch die angelaufenen Hafenstädte besuchen.
Wo kann man das selbst mal ausprobieren?
Solche Frachtschiffreisen werden von einigen ganz wenigen Spezialagenturen angeboten. Auch ein paar deutsche Reedereien haben eigene Vermittlungen. Eine Übersicht findet sich natürlich in meinen Buch. Hinweise gibt es aber auch auf meiner Webseite 8komma0.de – oder mit dem Stichwort “Frachtschiffreise” im Internet suchen.
Wie ist das Wetter auf hoher See?
Das Wetter ist, wie es ist. Mal so, mal so. Ich habe schon alles erlebt. Ölig glatt gestrichene Ostsee genauso wie Windstärken mit übergehenden Wellen auf der Back. Traumhafte Sonnenuntergänge. Spektakulär sind Fahrten ins Eis bei Minusgraden und scharfem Wind. Denn im Winter friert die Ostsee im Bottnischen und Finnischen Meerbusen zu. Mit Eis brechenden Frachtern unterwegs zu sein, ist ein ganz spezielles, unvergessenes Erlebnis. Habe ich drei Mal gemacht und war immer wieder fasziniert von diesen unendlichen Weiten voller Eis.
Das Meer ist ja schön, aber wird der Ausblick bei einer langen Fahrt langsam öde?
Wenn Du mit diesen Tingeltangel-Schiffen auf Nord- und Ostsee unterwegs bist, ist eigentlich immer was los und es gibt auch immer was zum Gucken: Revierfahrten auf der Elbe, Durchfahren des Nord-Ostsee-Kanals, immer wieder neue Häfen, Schärenlandschaften, Inseln und so weiter. Und wenn man dann mal zwei Tage nur Wasser sieht: Zeit zum Sinnieren, Dösen, Ausruhen, Klönschnack mit der Crew. Ich find’s toll.
Wie sieht das mit seekrank werden aus? Hat man auf so einem Riesenschiff überhaupt noch großes Schwanken?
Je größer das Schiff, umso ruhiger liegt es natürlich im Wasser. Bei ordentlich Sturm, sagen wir mal ab Windstärke 7, fängt jedes Schiff an zu “stampfen” und zu “rollen”. Dann heißt es immer schön auf den geraden Horizont gucken und abwarten, dass es vorbei ist. Kommt aber im Sommer in unseren Gewässern nicht so häufig vor. Und im Winter im Eis: gar nicht.
Bilder: Titelbild: Clker; Bilder im Artikel: Bernd/8komma0.de