Knapp 57 Millionen Menschen in Deutschland haben entweder einen Balkon oder eine Terrasse, das sind über 70 Prozent der Bevölkerung. Wie sie den Balkon dann aber nutzen ist eine andere Frage. Bei manchen Leuten ist er einfach nur da, andere grillen, andere sonnen sich und wieder andere bauen Obst, Gemüse und Kräuter darauf an. Im heutigen Interview soll es einmal um letzteres gehen. Annette, die auch einen Blog über ihren Balkongarten schreibt, erzählt uns im Interview wie man erfolgreicher Balkonfarmer werden kann.
Wie bist du auf die Idee für einen Balkongarten gekommen?
Gegärtnert habe ich schon immer gerne. Als ich klein war, auf der Fensterbank, unter anderem inspiriert durch Kinder-Gärtnerbücher wie ,,Linnéa und die schnellste Bohne der Stadt”, später bei meinen Eltern im Garten und schließlich auf meinem eigenen Balkon.
Anfangs habe ich auf dem Balkon nur eine handvoll Pflanzen angebaut – standardmäßig Salat, Tomaten, Kräuter. Von Jahr zu Jahr wurde es dann immer mehr, es kamen teilweise ungewöhnlichere Pflanzen hinzu und ich habe jede Saison etwas Neues ausprobiert. Neue Ideen dazu entstanden vor allem durch den Austausch mit anderen Pflanzenbegeisterten, zum einen im Bekanntenkreis, zum anderen auf Blogs und ähnlichem. Der Urban Gardening-Trend der letzten Jahre hat das sicher auch begünstigt.
Inzwischen ist es im Sommer auf meinem Balkon so voll, dass man dort nur noch zu zweit bequem sitzen kann, obwohl man früher locker fünf Gäste unterbringen konnte. Glücklicherweise lassen sich die meisten Pflanzen aber auch mal für einen Abend in die Wohnung umsiedeln, sodass ich den Balkon trotz ausgiebigen Gemüseanbaus auch noch selbst nutzen kann.
Welche Pflanzen können alles auf dem Balkon wachsen?
Im Prinzip alle, die in mitteleuropäischem Klima gedeihen und nicht allzuviel Platz brauchen.
Da mein Balkon an zwei Seiten geschlossen ist, sind die Pflanzen dort relativ wind- und wettergeschützt, was gerade bei Unwettern sowie momentan beim Überwintern hilfreich ist. So können auch etwas wärmebedürftigere Pflanzen gedeihen, was zusätzlich vom milden Klima hier in Karlsruhe begünstigt wird. Außerdem ist der Balkon durch seine Überdachung ein guter Standort für beispielsweise Tomaten, die möglichst keinen Regen abbekommen sollten.
In den letzten Jahren angebaut habe ich Erdbeeren, Tomaten, Chilis, Bohnen, Blumenkohl, Kartoffeln, Möhren, Zwiebeln, Johannisbeeren, Heidelbeeren, Lavendel, Petersilie, Schnittlauch, Oregano, Thymian, Basilikum, Feldsalat, Spinat, Grünkohl, Kohlrabi, Kapuzinerkresse, Paprika und verschiedene Blühpflanzen, zum Beispiel Sonnenblumen.
Wie viele Pflanzen kannst du da unterbringen?
Ich habe drei Balkonkästen, zwei große Bottiche und circa 15 kleine bis mittlere Blumentöpfe. Insgesamt kommen ungefähr 30-40 Pflanzen unter.
Was ist deine Ausbeute?
Kommt auf die Gemüsesorte an. Tomatenpflanzen sind häufig sehr ertragreich, sodass ich zur Erntezeit über mehrere Wochen fast ausschließlich die selbst angebauten Früchte verwenden kann. Bei drei großen Pflanzen ist dann mehrmals die Woche eine handvoll drin. Chilis bringen ebenfalls eine relativ üppige Ernte, vor allem, da sie nicht allzu viel Platz und Pflege brauchen und man zum Kochen keine großen Mengen benötigt. Von meinen 5 Pflanzen letztes Jahr habe ich jeweils circa 10 Schoten geerntet, danach getrocknet, sodass sie lange halten, und komme jetzt eine ganze Weile damit aus. Viel ernten kann man natürlich auch bei nachwachsenden Gemüsesorten wie Schnitt- oder Pflücksalat, die über einen längeren Zeitraum immer mal wieder eine Portion hergeben, oder bei Beerensträuchern, die zur Erntezeit gerne sehr üppig voller Früchte hängen.
Bei manchen Pflanzen (zum Beispiel Stangenbohnen) ist die Ausbeute allerdings schon etwas enttäuschend, wenn man sie über Monate gepflegt hat und letztendlich nur einen kleinen Zuschuss für eine Mahlzeit herausbekommt.
Insgesamt lohnt sich der Aufwand aber immer, und wenn eine Sorte mal nicht so erfolgreich war, probiert man im nächsten Jahr halt eine neue.
Wächst auch jetzt im Winter etwas auf dem Balkon?
Es ist zwar sehr viel leerer als im Sommer, aber ein paar Pflanzen sind im Moment auch da. Zum einen die mehrjährigen Pflanzen, die gerade überwintern, zum Beispiel Erdbeeren und verschiedene Kräuter, und zum anderen das Wintergemüse. Letzteres wird im Herbst gesät und im Winter oder Frühling geerntet. Typische Wintergemüse sind Feldsalat, Spinat und Grünkohl.
Behindern sich die Pflanzen nicht gegenseitig beim Wachsen wenn sie so nah beieinander sind?
Direkt am wachsen hindern sie sich zwar gegenseitig nicht, aber der geringe Platz ist schon manchmal unpraktisch.
Wenn eine Pflanze von Schädlingen befallen oder krank ist, ist die Gefahr natürlich groß, dass sich der Befall oder die Krankheit auf die anderen Pflanzen ausweitet – da muss man frühzeitig gegenwirken. Zudem gibt es Pflanzen, die sich gegenseitig ungünstig beeinflussen und deswegen nicht direkt nebeneinander angebaut werden sollten, zum Beispiel Kartoffeln und Tomaten. Bei vielen verschiedenen Pflanzen auf engem Raum kann es deswegen sinnvoll sein, sich vorher über Mischkultur beziehungsweise passende Pflanzenkombinationen zu informieren.
Kann jeder Balkon einen Garten beherbergen oder braucht man da bestimmte Voraussetzungen?
Wenn man ein bisschen Zeit und Mühe investiert, kann aus jedem Balkon ein kleiner Garten werden. An einem hellen Standort, der zeitweise in der Sonne liegt und nicht allzu zugig ist, werden sich die meisten Pflanzen zwar am wohlsten fühlen, sodass mit weniger Krankheiten/Schädlingsbefall, üppigeren Pflanzen und höheren Erträgen zu rechnen ist. Jedoch können die Balkonpflanzen den Umständen entsprechend ausgewählt werden – auf einem sehr schattigen Balkon gedeiht eine sonnenhungrige Pflanze vielleicht nicht so gut, lichtscheuere Exemplare dafür umso besser. Im Zweifelsfall einfach ausprobieren; ich habe schon mehrfach Gemüsesorten angebaut, die angeblich viel Sonne brauchen, auf meinem nicht allzu sonnigen Balkon aber trotzdem super geworden sind. Manche vermeintlichen Nachteile lassen sich auch zum Vorteil nutzen: ein überdachter Balkon ist zwar etwas dunkler, dafür werden die darauf lebenden Pflanzen aber vor Regenwasser geschützt. Dies kommt vor allem Tomaten zugute, da sie bei Nässe sehr leicht Pilzkrankheiten bekommen.
Wie viel Pflege benötigt der Balkongarten?
Jetzt im Winter ist der Aufwand sehr übersichtlich und beschränkt sich auf circa einmal wöchentliches Gießen. In der Pflanzensaison, also vor allem Frühling und Sommer, sieht das natürlich ganz anders aus.
Sobald die ersten Sämereien sprießen, sind ständig Pflänzchen zu pikieren, umzutopfen und, wenn sie etwas größer sind, mit Rankhilfen zu versehen, auszugeizen oder gegebenenfalls wegen Schädlingsbefalls zu behandeln. Gerade Anfang des Sommers ist somit alle paar Tage etwas zu tun.
Sofern das Wetter passabel ist und die Pflanzen nicht mehr allzu klein sind, muss täglich gegossen werden. Bei sehr warmem Wetter oder besonders durstigen Pflanzen (zum Beispiel Tomaten) am besten zweimal täglich. Mal übers Wochenende wegfahren geht zwar, aber bei längerer Abwesenheit sollte man sich vorher überlegen, wie die Pflanzen in der Zeit versorgt werden.
Das Ganze macht natürlich Spaß, aber den Zeitaufwand sollte man mit einplanen. Ich unterschätze ihn allerdings jedes Jahr wieder und säe im Frühling so viele Pflanzen, dass ich mich gar nicht um alle kümmern könnte, selbst wenn genug Platz da wäre. Das kommt allerdings Freunden und Familie zugute, weil ein großer Teil der Pflänzchen dann an sie verschenkt wird.
Musst du jedes mal neu anpflanzen oder hast du auch Pflanzen die immer bestehen bleiben?
Teils, teils. Viele Gemüsepflanzen sind einjährig und werden nach dem Sommer entsorgt. Einige Pflanzen können über Jahre bestehen bleiben, beispielsweise Kräuter oder Beerensträucher. Bei manchen (zum Beispiel Erdbeeren) ist es auch so, dass sie zwar viele Jahre leben und Früchte tragen können, der Ertrag jedoch nach 2-3 Jahren stark abnimmt, sodass man sie dann effizienterweise durch neue ersetzt.
Bilder: Titelbild: Clker; Bilder im Atikel: Annette/gemueseundnaschen.blogspot.de