Diesmal habe ich ein Interview mit Martin Schmitt geführt. Martin kommt aus Deutschland und hat im Laufe seines Lebens schon in vielen anderen Ländern gelebt. 1999 ist er aus Deutschland auf die Philippinen ausgewandert, 2001 ging es dann nach Thailand und seit 2003 wohnt er in Uruguay. In den verschiedenen Ländern hat er sehr viele Erfahrungen gesammelt, über die wir im ausführlichen Interview sprechen werden …
Was waren denn deine Gründe oder der Ansporn dazu, auszuwandern?
Für viele ist das ja die Flucht vor dem “hässlichen Deutschland” mit seinem “Wetter und dem Beschiss”. Für mich war es eher das Abenteuer. Ich wusste schon vorher, da ich an der französischen Grenze aufgewachsen bin, dass Deutschland super viele Vorteile hat.
Wie sah dein Leben in Deutschland zur Zeit der Auswanderung aus? Welchen Beruf hattest du, und hattest du bereits eine Familie?
Ja hatte ich. Ich habe damals meine Tochter nach einem abgebrochenen BWL Studium (das war echt nichts für mich) aufgezogen. Hausmann sozusagen. Allerdings mit einer Menge Nebenjobs, um die Kohle reinzubringen. Ich habe dann noch schnell eine Ausbildung zum Europakaufmann mit Französisch hingelegt.
Zuerst bist du auf die Philippinen ausgewandert. Warum gerade dort hin?
Wir sind halt schon zuvor viel rumgereist und waren ein paar Mal in Thailand – dort haben wir übrigens auch geheiratet – und das hat irgendwie schon mal gepasst. Da ich aber leidenschaftlicher Taucher war, habe ich immer nach neuen Dive Sites gesucht. Ein Kumpel hat mir dann von den Philippinen erzählt. Beim ersten Besuch waren wir dann mehr im Norden, beim zweiten Mal dann im Süden, und da ist dann die Idee auch schon gereift, mal auszusteigen. Erstens gab es da eine relativ gute internationale Schule (war eine Montessori Schule), und es gab Tauchen und Abenteuer pur. In der Stadt Dumaguete in Negros Oriental war einfach alles perfekt – wenn man das so nennen kann für die Breitengrade.
Wie hast du dort dein Geld verdient?
Nun ja, einen kleinen Teil brachte meine Frau schon mit. Doch damit konnte man gerade mal die monatlichen Basiskosten abdecken, die ja dort eher gering ausfielen, aber halt da waren. Das Leben in einer Strandhütte hatte schon was und war billig. Nebenan war dann ein Schweizer Tauchshop. Irgendwie haben die mich dann überredet bei denen als Guide zu arbeiten. Ich musste dann halt noch so ein paar Scheine machen und dann gings los. Dorthin zieht es vor allem Besucher aus Hong Kong und Amerika. Die geben eine Heidengeld in ein paar Tagen Urlaub aus. Das hat sich dann voll gelohnt.
Hattest du Probleme mit der Sprache oder der Kultur?
Nein, da die da alle Englisch sprechen. Selbst die kleinsten Kids haben das voll drauf. In Thailand ist das anders. Da können die das nur in den Tourismusgebieten. Und von der Kultur her sind die Philippinen ziemlich europäisch, da die katholischer sind als der Papst. Da gibt es Irre, die lassen sich an Ostern voll ans Kreuz nageln. Allerdings gab es zu der Zeit eine Menge Seperatistenbewegungen im Zuge der Anschläge auf das World Trade Center. Das artete richtig mit Entführungen und anderen Schweinereien aus.
Findet man als Fremder schnell neue Freunde in einem neuem Land?
Ja, vor allem unter den Ausländern. Bei den Einheimischen läuft das nur auf den ersten Blick so. Vorteilhaft ist es, wenn du mit einem Kind unterwegs bist. Dann wirst du speziell gerade in diesen beiden Ländern nicht in die Sex-Touri-Schublade gesteckt. Dennoch es ist fast kaum möglich, in eine einheimische Familie integriert zu werden. Ausnahmen bestätigen die Regel. Viele heiraten dann auch da und bekommen dann Zugang zu den Familien. Man muss da allerdings aufpassen. Eine schöne Thai oder Filipina, die du im Puff kennenlernst, wird dich bestimmt nicht zuhause vorstellen. Meist hat die keine mehr oder wurde verstoßen oder von den eigenen Eltern verkauft.
Hast du in Deutschland alles stehen und liegen lassen, beziehungsweise verkauft, oder hast du deine Sachen mitgenommen?
Alles verscherbelt. Wir hatten sowieso nie groß was. Ich bin kein Materialist. Auch meine Frau war das nicht. Das war in ein paar Tagen erledigt. Drei Rucksäcke – für jeden einen – und das wars.
Falls es mit dem Auswandern nicht geklappt hätte: Wären die Rücklagen und die Unterkunft hier in Deutschland noch da gewesen, um zur Not zurückzukehren?
Was für Rücklagen? Ich bin kein Schönwetter-Auswanderer, der gleich wieder abbricht, wenns mal nicht gerade so läuft. Aber eine Notunterkunft in einem Zimmer bei meiner Mutter wäre wohl noch drin gewesen. Aber mit drei Köpfen wäre das nicht lange gut gegangen.
Bist du mit einem Plan in Sachen Job und Unterkunft ausgewandert, oder bist du einfach auf die Philippinen geflogen und hast dich dann erst um alles weitere gekümmert?
Ne, wie ich schon sagte, das war mit Plan, da wir die Stadt und die Umgebung kannten. Es war auch schon alles mit der Schule geregelt. Damals gab es ja noch keine Auswandererforen, in denen man alle Infos gratis bekam. Und mit einem kleinen Kind – meine Tochter war da vier Jahre – auszuwandern, bedarf schon einer kleinen Überlegung. Wir gingen ja nicht nach Spanien, Kanada oder in den Norden.
Wie unterscheidet sich die asiatische Kultur von der europäischen?
Man kann die thailändische Kultur überhaupt nicht mit der philippinischen vergleichen. Da steht Buddhismus gegenüber dem Katholizismus. Da stehen Kirchen gegenüber Tempeln. Thailand hört sich in dieser Hinsicht faszinierender an, ist es auch in gewissem Maße. Aber wie schon gesagt, alles ist mit Vorsicht zu genießen. Und das Lächeln, dass die Asiaten immer drauf haben, ist noch lange nicht immer so gemeint. Die sind alle stolz und leicht verletzbar (die Latinos übrigens auch) und dann werden sie richtig link.
Kehrst du manchmal noch nach Deutschland zurück?
Ich war einmal dort als wir von Thailand nach Südamerika gewechselt sind. Glücklicherweise hatte der Flug einen Stop von 6 Stunden in Frankfurt. Da haben wir dann die Familie wiedergesehen. So eine Art Picknick auf dem Airport.
Nach den Philippinen ging es nach Thailand und anschließend nach Uruguay. Wieso hast du den Ort zwei mal gewechselt? Gab es Probleme, oder waren die anderen beiden Länder einfach nicht die, die du gesucht hast?
Ich hab es ja oben schon angeschnitten. Zuerst einmal gab es Bürgerkrieg im Süden der Philippinen. Eine Terrororganisation mit den Namen Abu Sayaf machte die ganze Region unsicher. Die haben sich da in der gigantischen Inselwelt versteckt, gibt ja ein paar tausend davon in der Region. Danach griffen die Amis täglich mit Hubschraubern an. Wenn du die da jeden Tag über deinen Kopf fliegen siehst, dann wird es Zeit zu verschwinden. Zudem kam ein Tauchunfall, der mich fast das Leben gekostet hatte. Da war es dann aus. Ok, ich habe dann als Trekkinguide gearbeitet, aber durch die Verletzungen war das nur bedingt möglich. Als es dann wieder Zeit war, das Land zur Erneuerung des Passes zu verlassen (man musste einmal im Jahr für drei Tage damals raus) flogen wir nach Thailand – liegt ja gerade um die Ecke -und blieben dann auch da. Ein Teil des Landes kannten wir ja schon, und das mit der Schule war schnell erledigt. Thailand hatte allerdings strenge Einreiseregelungen. Da musste man alle drei Monate raus. Das nervt und ist kostenintensiv, vor allem mit drei Leuten. Durch Zufall fand ich da in einem Spiegel-Magazin, das wohl ein Tourist liegen gelassen hatte, einen Artikel über Uruguay. Die suchten nach Leuten, da alle Einheimischen sich nach Spanien aufmachten, um dort am Immobilien Boom mitzuverdienen.
Wie bist du am Anfang in Uruguay zurecht gekommen? Fällt der Umstieg leichter, wenn man schon einige Male ausgewandert ist?
Das war superhart, denn keiner von uns kannte auch nur ein Wort Spanisch außer „Hola“, und trotz allem was sie dir hier weismachen wollen, redet kaum einer Englisch. Sie können es, machen aber den Mund nicht auf. Da musst du schon in die richtigen Kreise kommen, und groß Internet gab es ja da zu der Zeit nicht so. Irgendwie haben wir es dann gepackt.
Womit verdienst du im Moment dein Geld?
Na ja, Tauchen ist nicht mehr. Trekking ist hier auch nicht der Hit. Dschungel gibt’s keinen und der höchste Berg hat mal gerade knapp über 500m. Aber Reiten war drin. Gäule gab’s hier wie Sand am Meer. Einige davon haben wir dann auf Langstreckenrennen hin trainiert. Mein Nachbar hatte so ein Gestüt, der hat immer Leute gebraucht. Ich hatte allerdings kaum Ahnung davon. Zeitweise mussten da 40, 50 Kilometer im Galopp abgeritten werden. Das war irre, so am Strand entlang, aber halt jeden Tag. Hartes Brot sag ich dir. Irgendwann hab ich mir mal einen PC gekauft und dann meine eigene Webseite aufgebaut Die heißt Lateinamerika Reisemagazin. Mit der mache ich allerdings keine Kohle, aber dafür hab ich Leute kennengelernt, die haben mir geraten ins Onlinegeschäft einzusteigen. Mit meinem Gutscheine auf Gutscheinwerte läuft das schon besser, allerdings reicht das auch nicht. Ich schreib zum größten Teil Texte für Reisemagazine. Auch biete ich geführte Touren als Stadtführer in Montevideo und im ganzen Land an.
Auf deiner Webseite lateinamerika-reisemagazin.com geht es auch viel um das Reisen selbst. Reist du heute noch oft in andere Gebiete, um dort Urlaub zu machen?
Jein. Ich verbinde das meist, Reisen mit arbeiten. Als Freelancer gibt es keine Ferien. Außerdem war ich noch nie der große Reiser. Ich bin nicht so der Typ, der alles abhaken muss. Wenn es mir irgendwo gefällt, dann bleibe ich. Ich lerne lieber die Leute kennen. Irgendwie bringt mir das mehr als wild in der Gegend rumzureisen. Wenn ich das tue, dann suche ich mir Plätze aus, die kaum einer kennt.
Du hast in Gebieten gelebt, die gut besuchte Touristenziele sind. Hat man dieses Urlaubsfeeling auch dann noch, wenn man dort wohnt?
Wenig. In Thailand haben wir auf Koh Samui gewohnt. Obwohl wir da in einem Strandhaus in einem kleinen Touristenresort gewohnt haben, hast du da nicht viel Kontakt. Man lernt schnell sich da rauszuhalten. Das macht der Geldbeutel nicht mit. Alles wird irgendwann zur Routine. Auch wenn du morgens aufstehst und auf das Meer schauen kannst. Dabei ist das superöde, denn da passiert ja nichts. Aber ich kann ohne Wasser nicht leben – glaub ich. Meine Pläne ziehen mich allerdings weg vom Wasser.
Welche Sprachen beherrschst du nun alle?
Keine richtig. Ich bin Saarländer und frankophon, rede aber nur eine Art Dialekt, wie auch hier in Uruguay das Spanisch mit dem Spanisch der Spanier nix zu tun hat. Englisch habe ich schon ganz vergessen. Das habe ich seit knapp 10 Jahren kaum noch gesprochen.
Bist du mit der Entscheidung, Deutschland zu verlassen und auszuwandern glücklich und würdest du es wieder so machen?
Ein ganz klares Ja. Ich sage nicht, dass ich nicht zurückgehe, aber wie es gelaufen ist, so mit allen Höhen und Tiefen, das ist mehr als ok. Über ein langweiliges Leben kann ich nicht klagen.
Hast du noch weitere Pläne oder Vorhaben für die Zukunft?
Ja, ich hab es ja schon erwähnt. Ich werde mal „kurz“ weg vom Wasser gehen. Ich will unbedingt mal eine Weile in Bolivien verweilen. Das erscheint mir als ein Land, das hat noch was. Meine Tochter ist erwachsen (ist aber noch bei mir), die Frau weg und ich bin frei. Geil oder?
Zum Abschluss: Kannst du den Leuten, die auswandern wollen, einen guten Ratschlag mit auf den Weg geben?
Ich sehe, dass das immer komplizierter mit den Einwanderungsbedingungen wird. Es kommt halt auch immer darauf an, wie die finanziellen Voraussetzungen sind. Manche haben Kohle und wandern aus. Die meisten davon werden schnell zu Alkoholikern, da sie nichts mit sich anzufangen wissen. Anderen, die auswandern, um nach dem besseren Arbeitsklima zu suchen oder sich vor den hohen Steuern drücken wollen, denen rate ich nur sich sehr, sich sehr gut vorher zu informieren. In dieser Hinsicht läuft fast nichts mehr legal. Und geschröpft wird man überall, und das noch in einem Ambiente, das viele als rückständig bezeichnen würden. Es gehört schon Idealismus dazu.
Bilder: Titelbild: Clker; Steinberge und Wasser: M. Hermsdorf / pixelio.de; Flugzeuge: Janusz Klosowski / pixelio.de; Strand und altes Boot: Sonja Metschitzer / pixelio.de
Hey Marten,
interessantes Interview. Kannst du mir irgendwie einen Kontakt zu Martin Schmitt vermitteln? Möchte ihn gern zum Thema “Auswandern” mal kontaktieren.
Danke und liebe Grüße