Journalismus – für viele junge Menschen nach wie vor ein Traumberuf. Wir haben mit Ramona Schittenhelm gesprochen, die selbst seit über 15 Jahren als Journalistin tätig ist und den Beruf klassisch in einem Zeitungsverlag via Volontariat erlernt hat. Zwischen Klebeumbruch und Seitenerstellung via PC, Bandmaschine und Audio-Schnittprogramm gibt es sicherlich einige Tipps und Geschichten, die sich im Alltag eines Journalisten so ergeben, oder?
Wie bist Du zum Beruf als Journalistin gekommen?
Ramona Schittenhelm: Oh das ist schon eine ganze Weile her. Damals war das Internet noch in weiter Ferne. Damals gab es noch nicht zig Hobby-Publizisten und Facebook, Twitter & Co. gab es natürlich auch noch nicht. – Aber nein im Ernst. Mir war schon ziemlich früh klar, dass ich Journalistin werden möchte. Das wusste ich einfach. Aber im Laufe der Jahre hat sich unser Berufsbild komplett gewandelt. Den klassischen Journalisten wie man ihn noch vor 20 Jahren kannte gibt es längt nicht mehr. Ich bin ausbildungsmäßig genau in die Anfänge der Umbruchzeit hinein gefallen – habe daher (obwohl es bestimmte Bereich so noch gar nicht gab) diese von Grund auf miterlebt, teils mitgeprägt und somit von der Pike auf erfahren und erlernt. Das war eine Superzeit und die lehrt uns natürlich auch, dass wir wachen Auges die Trends und Entwicklungen im Journalismus aufspüren und nicht hinterher hinken dürfen.
Was mich in der heutigen Zeit fasziniert sind vor allem auch bloggende Journalisten wie Richard Gutjahr … okay. Ich selbst betreibe das auch schon seit einigen Jahren. Inzwischen springen immer mehr Kollegen auf diesen Zug auf. Die Kombination aus Wort, Bild und den Social Media-Kanälen ist es, die den modernen Journalismus ausmacht, gleichzeitig aber auch verändert und durch diverse Hobby-Autoren immer schwerer macht. Denn: die Information selbst hat heutzutage ja jeder bereits nur wenige Augenblicke nach dem Ereignis selbst. Da heißt es dann, das Besondere herauszufinden und aufzuspüren. Denn wie heißt es so schön: nichts ist uninteressanter als die Tageszeitung von gestern.
Was ist der beste Weg um dort hinzukommen? Ein Studium, eine Schreibschule oder ein anderer Weg?
Vor allem gehört sehr viel Leidenschaft, Enthusiasmus und Begeisterungsfähigkeit dazu. Als Journalist heißt es, sehr viel Herzblut zu haben. Man muss für den Beruf brennen, muss Begeisterung zeigen und muss auch immer wieder einiges an Entbehrungen hinnehmen. In der Liste der Traumberufe ist der ‚Journalist‘ nach wie vor oben mit dabei. Aber: ob der Beruf wirklich für jeden ein echter Traumberuf ist – teils etwas verworrene Arbeitszeiten an Abenden oder Wochenenden … Konkurrenz durch Rentner und Billigkräfte … schlechtes Honorar als freier Journalist. Viele wirklich gute ausgebildete Journalisten sind nahe am Existenzminimum, da Verlage am Honorar einsparen möchten und lieber für wenig Geld gut bezahlte Pensionisten als freie Mitarbeiter beschäftigen. Denkt man nur an Veranstaltungen wie das jährliche Maibaum-Aufstellen: hier greifen die Verlage sehr häufig auf kostenlose Fotos von den Veranstaltern zurück, um sich das Honorar für die Journalisten zu sparen. Und viele Hobbyfotografen nutzen dies – selbst im gut bezahlten Job in der Industrie – ohne zu berücksichtigen, dass sie so ganze Berufe und Berufssparten zerstören. Denn der hauptberufliche Journalist lebt davon … manche Kollegen merken dies schon ziemlich stark, wenn solche ‚Konkurrenz‘ ihnen den existentiellen Nährboden nimmt.
Einen pauschalen Weg in den Journalismus gibt es nicht – allerdings vertrete ich persönlich die Meinung, dass die diversen Schreibschulen hier definitiv kein Weg sind in den Journalismus. Für mich ist nach wie vor der Weg in der Praxis in Verbindung mit praxisnahen Theorieblöcken (Studium oder fachbezogene Fortbildung) der sinnvollste. Denn so erkennt man ob jemand für den Beruf brennt und Leidenschaft zeigt.
Alte Rechtschreibung – neue Rechtschreibung: Die Umstellung ist vollzogen. Wie komplex war das und ganz ehrlich Hand aufs Herz: Wenn man so viel schreibt, passieren da überhaupt noch Rechtschreibfehler?
Die Umstellung liegt doch schon Jahre zurück und hat nicht nur den Journalismus betroffen. Auch in Büros, Ämtern, der Schule – eigentlich überall im Alltag – musste man sich umstellen. Ich sehe hier für unseren Berufsstand eigentlich keine wirkliche Besonderheit. Naja und zu der Frage nach Vielschreibern und Rechtschreibfehlern: ich denke es geht hier weniger um Rechtschreib- sondern mehr um Flüchtigkeits- und Tippfehler (die teils trotz Rechtschreibprogrammen aufgrund von Zeitdruck durchaus passieren) .
Wie viel Zeit bekommt man normalerweise um einen Artikel zu schreiben und wie muss man sich den Arbeitsablauf vorstellen?
Sorry aber die Frage kann ich nicht pauschal beantworten. Die Zeit, die man für einen Artikel braucht hängt von ganz vielen verschiedenen Faktoren ab … Rechercheaufwand und Textart sind dabei nur zwei verschiedene Kriterien.
Das heißt man hinterfragt die eigentliche Themenstellung. Dann wägt man die Interessenslage der Leserschaft ab und beginnt sich im Kopf (oder auf Papier) via Stichwortsammlung ein Themengrundgerüst zu erschließen: Wie will ich das Thema aufbereiten, damit meine Leser sich dafür begeistern können?
Naja und je nach Thema heißt es dann halt auch überlegen, wen man als geeigneten Gesprächspartner für den Artikel befragt. So gut oder schlecht wie diese Person erreichbar ist, soviel Zeit benötigt dann der Artikel . Hat man seine Informationen zusammen, baut man den Artikel zusammen. Entweder als sachlichen Bericht oder als blumigere Reportage.
Siehst du Zeitungen und Newswebseiten mit anderen Augen?
Naja wenn du die Arbeit und den Beruf erlernt hast, dann hast du nicht nur ein gewisses Gespür für den Text sondern auch ein Auge dafür was gut und was schlecht ist. Aber das denk ich ist bei allen Berufen so. Der Metzger oder der Bäcker vergleicht auch den Geschmack der Produkte und deren Würze. Genauso ist es natürlich auch bei uns.
Und klar: selbstverständlich sieht man da dann auch Dinge, die ein ‚normaler Leser‘ vermutlich nicht so schnell feststellt. Während dem normalen Leser vermutlich eher Dinge wie Tipp- oder Flüchtigkeitsfehler im Text auffallen sind es bei uns eher der Textaufbau oder der Inhalt eines Textes. Das heißt gerade bei Newswebseiten merke ich zum Beispiel sehr schnell inwieweit der Autor nach journalistischen Grundsätzen schreibt oder die Texte eher geprägt von gewissen Gruppierungen oder Grundsätzen sind. Mir selbst ist die journalistische Unabhängigkeit beispielsweise ein sehr wichtiges Anliegen.
In vielen Medien wird der Leser auf eine bestimmte Seite gezogen oder zu einer bestimmten Meinung bewegt. Wie machen Autoren das?
Mit einer interessanten Aufmachung des Textes, interessanten Fotos, Überschriften und Zitaten. Oder warum glaubst Du, dass Medien wie die Bild-Zeitung seit Jahren und Jahrzehnten im Straßenverkauf so gut funktionieren.
Was macht dir Spaß an Deinem Beruf?
Die Vielfalt und die verschiedenen Möglichkeiten, die man im Journalismus hat. Wenn ich nur an die Vielfalt der Themen denke – von traditionellen Festen im Regionaljournalismus über internationale Künstler bis hin zu Weltmeisterschaften im Sport oder den Wahlkampf in der Politik. Auch wenn bestimmte Themen immer wieder kommen, so muss es keinesfalls ein immer wiederkehrender Text sein. Ganz im Gegenteil: es ist die Herausforderung für den Journalisten hier immer wieder neue Perspektiven und Blickwinkel zu eröffnen.
Ein ganz anderer Bereich ist beispielsweise, wenn man zu bestimmten Fach- und Sachthemen auch auf Unternehmens- oder Firmenseiten neutrale Informationstexte oder Berichte erstellt, um die Leser zu informieren. Ein Beispiel hierfür: ich betreue einen Agrarblog eines mittelständischen Handwerksunternehmens und sorge hier in unregelmäßigen Abständen für Informationen aus dem Bereich der Landwirtschaft und Landtechnik. Auch solche Aufgaben sind es, mit denen man im journalistischen Alltag Abwechslung schaffen kann und die journalistischen Grundzüge berücksichtigt. Auch Google hat dies ja bereits erkannt: journalistische Texte nach publizistischen Grundsätzen sind beim Suchmaschinen-Giganten ganz besonders begehrt. Und das ist auch gut so … nur ist halt auch wichtig, dass die auch berücksichtigen das derjenige, der den Artikel erstellt auch davon leben muss. Das heißt ich denke hier müssen sich komplett andere Bezahlmodelle entwickeln, um so sicher zu stellen, dass der ausgebildete Journalist als solches wirtschaftlich unabhängig bleiben kann. Wer weiß, vielleicht entwickeln sich hier in den kommenden Jahren Stiftungen, über die die Journalisten ihre inhaltliche und wirtschaftliche Unabhängigkeit sicher stellen können und sich – ohne wirtschaftlichem Existenzdruck – ihrer eigentlichen Aufgabe widmen können: den interessanten und richtig guten Storys. Denn davon haben letztlich dann alle etwas, oder?
Bilder: Titelbild: Clker; Zeitungen 1:Verena N. / pixelio.de; Presse: Tim Reckmann / pixelio.de; Zeitungen 2: Thomas Siepmann / pixelio.de