Canyoning, oder etwas holprig ins Deutsche übersetzt auch Schluchting genannt, hat sich als Sportart vor gut zwei Jahrzehnten in Europa etabliert. Beim Canyoning geht es darum, eine Schlucht zu durchqueren. Das kann auf die verschiedensten Wege passieren, gehen, klettern, abseilen, springen und rutschen steht unter anderem auf dem Programm. Mein heutiger Interviewpartner Chris kennt sich gut mit Canyoning aus, denn er arbeitet als Guide und schreibt auf seinem Blog über seine Erfahrungen. Heute im Interview bringt er uns das Caynoning näher.
Wie bist du zum Canyoning gekommen?
Das ist eine lustige Geschichte: Eigentlich war ich nur mit Freunden auf einem Outdoor Wochenende in Österreich unterwegs. Das war 2006 bei der Firma Faszinatour im Tiroler Imst.
Ich kann mich noch sehr genau daran erinnern: es war ein leicht regnerischer Tag, wir waren für die Einsteigertour vorgesehen und unser Guide Klaus war auch nicht sonderlich gut gelaunt. Eigentlich keine besonders guten Voraussetzungen für eine Tour. Auch die letzte Nacht hatte Spuren hinterlassen, und wir waren alle noch leicht angetrunken. Aber das änderte sich beim ersten Abseiler schlagartig. Ich war begeistert von der Kraft des Wassers, der Abseiltechnik und der Schlucht als solches. Und als ich nach dem Abseilen den Karabiner löste war mir sofort klar: davon möchte ich mehr. Viel mehr.
Damals war es bei der Versicherung angestellt was ein sicherer aber sehr langweiliger Job war. Und noch an dem Wochenende hab ich beschlossen all das hinter mir zu lassen um Canyoning Guide zu werden.
Würdest du sagen das ist eine Extremsportart oder kann das jeder machen?
Naja, das kann schon jeder machen, der etwas davon versteht. Das Problem beim Canyoning ist, dass Fehler, die man macht, kaum reversibel sind. Denn wenn man einmal abseilt, dann kommt man nur noch sehr schwer wieder zurück. Außerdem kann man wegen des Lärms in der Schlucht kaum kommunizieren, und die Kraft des Wassers wird sehr leicht unterschätzt.
Man muss sich mit Seiltechnik, Rettungstechniken, und Wildwasserschwimmen gut auskennen. Jetzt wo ich mich das sagen höre, ist es mir absolut klar. Wer in die Schlucht geht, braucht ausgezeichnetes Equipment, eine gute Vorbereitung, und muss ortskundig sein. Ich empfehle jedem, sich an einem professionellen Guide zu wenden.
Wie machst du deine Videoaufnahmen?
Das ist eine gute Frage, haha. An manchen Tagen haben wir genauso viel Video Equipment dabei, wie Canyoning Ausrüstung. Nein ohne Spaß, die technische Entwicklung in diesem Bereich ist faszinierend und mit kleinen Outdoor Kameras kann man wirklich schon sehr viel machen.
Wo kann man das in der Umgebung von Deutschland am besten machen?
Also bei uns in Bayern gibt es eine Reihe sehr interessanter Schluchten. Das fängt bei Einsteigerschlucht Gunzesried an. Hier kann man gefahrlos ins Canyoning reinschnuppern, denn alle Stellen können umgangen werden. Trotzdem gibt es auch Rutschen und Sprünge. Hier kommt wirklich jeder auf seine Kosten.
In der direkten Nachbarschaft gibt es noch die Starzlachklamm. Diese Perle des Canyoning hat wirklich alles, was eine gute Schlucht braucht. Spektakuläre Abseiler durch Wasserfälle, Schwimmstrecken, und eine Rutsche am Schluss, die jedem den Atem rauben wird.
Das Mekka des Canyoning ist jedoch im Tessin (Südschweiz), wo alles noch ein Stück größer ist. Abseiler bis 100 m, hohe Sprünge, und rasante Rutschen stehen hier auf dem Programm. Zusätzlich ist der Fels sehr wunderbar abgeschliffen, das muss man erlebt haben.
Wie lange gehen die Touren im Schnitt?
Das ist sehr flexibel und kann vom Gast selbst gewählt werden. Einsteigertouren gehen um die 3 Stunden, es gibt halbtages-, und auch ganz Tagestouren. Letztere sind aber eher für Canyoning erfahrene Gäste geeignet.
Wo kann man das selbst mal ausprobieren?
Wir haben unsere Station im Allgäu, sind aber grundsätzlich sehr mobil. Schau dir einfach das nächste Video an und entscheide ob du Lust darauf hast, wir freuen uns immer mit Gästen durch unseren Schluchten zu gehen.
Wenn ihr einen Hang ins Wasser runterspringt, woher wisst ihr dass es tief genug ist?
Das wissen wir selbst nicht. Kleiner Scherz. Selbstverständlich kennen wir unsere Schluchten wie unsere Westentasche. Das heißt natürlich nicht, dass ich nach hier nach einem Hochwasser auch mal etwas ändert. Deshalb tauchen wir die Becken bei Bedarf aus, und geben diese dann frei. Wichtig ist, dass der Gast dann auch tatsächlich an die Stelle springt, wo wir ihn haben wollen.
Welche verschiedene Wege nutzt man beim Canyoning alles, um einen Canyon zu durchqueren?
Das ist eine gute Frage. Denn viele Leute glauben, dass wir ständig springen und rutschen. Das ist natürlich sehr spektakulär und macht viel Spaß, entspricht aber nicht der Realität. Denn die Hauptbewegungsart beim Canyoning ist tatsächlich das Gehen und Kraxeln. In unserer Schlucht gibt es viele große Felsen, und auch enge Höhlen, die wir bewältigen müssen.
Hin und wieder gibt es auch Seile, die exponierte Stellen absichern, oder bei Bedarf auch einen fixen Klettersteig. Das erhöht die Sicherheit, so dass auch alle Gäste wieder aus der Schlucht herauskommen.
Was macht dir Spaß am Canyoning?
Früher hätte ich gesagt, die hohen Sprünge geben mir am meisten. Aber nachdem ich nun seit acht Jahren in der Schlucht unterwegs bin, hat sich das etwas geändert. Nun ist es so, dass mir die Freude der Gäste am meisten bedeutet. Zu Beginn haben die Gäste oft Angst, weil sie nicht wissen was sie erwartet. Wenn nach der Tour alle lachen, uns ein High Five geben und immer wieder sagen, dass es klasse war, dann haben wir es richtig gemacht. Das ist mein Antrieb!
Bilder: Titelbild: Clker; Bilder im Artikel: Chris/Canyoning Allgäu