Meine heutige Interviewpartnerin, die unter dem Pseudonym Pharmama aktiv ist, arbeitet seit etwa 15 Jahren in einer der 1750 Apotheken in der Schweiz (zum Vergleich: In Deutschland gibt es etwa 20.000). Ihre Erlebnisse und Meinungen hält sie auf ihrem Blog fest, der mittlerweile schon Fünf Jahre auf dem Buckel hat. Im Interview erzählt sie uns über ihren Beruf, der nach dem Arztbesuch der zweite Schritt zum wieder gesund werden ist.
Welche Ausbildung oder welches Studium braucht man, um Apotheker zu werden?
Oh, lieb, dass Du fragst. Es nehmen immer noch sehr viele Leute an, dass Apotheker ein „Verkaufsberuf“ ist und demnach eine Lehre reicht. Das ist nicht so. 5 Jahre Studium mit sehr naturwissenschaftlichen Themen bereiten einen auf die Apotheke vor. Das Pharmaziestudium beinhaltet viel Chemie, außerdem Biologie und Botanik, Anatomie, Physiologie, Mikrobiologie und Beruf-spezifischeres wie Arzneimittelherstellung und Arzneiformenlehre sowie Pharmakotherapie (wie man sie anwendet).
Was genau macht eine Apotheke alles? Vermittelt sie nur die Medikamente vom Hersteller an den Patienten oder gibt es da noch mehr?
Mehr … Bei uns kann man
- Beratung und Medikamente zu einer Krankheit / Beschwerde holen
- Beratung und Produkte zur Gesundheitsvorsorge holen (Ernährung, Diät, Nahrungsergänzungsmittel, Vitamine)
- Reise- oder Impfberatung machen lassen
- Kompressionsstrümpfe anmessen lassen
- Beratung und Produkte für den Haushalt holen (Putzmittel, Fleckenmittel, Stofffarben, Insektenmittel …)
- Beratung und Produkte zur Schönheit / Kosmetik holen
- Blutdruck, Blutzucker oder Cholesterin messen
- Wir machen Vorsorgeaktionen (Nichtrauchen, Hautkrebs, Darmkrebs, Grippeimpfung, Diabetes-Screening, Schlafstörungen, Stop Piracy, Weltherztag, Welt-Nieren-Tag …)
- Sachen mieten: Inhalationsapparate / Unterarmgehstützen / Milchpumpen / Kinderwaagen und Teppichreinigungsgeräte
- Dosett (Wochendispenser) auffüllen lassen
- Die Hausapotheke kontrollieren lassen
- Alte Medikamente zum entsorgen gegeben
- Wir stellen auf Wunsch auch alternative Heilmittel zusammen: Teemischungen, Bachblüten, Spagyrik, Homöopathie
- Wir füllen Chemikalien ab und verkaufen sie – angefangen bei Aceton bis zum Zinkoxid
- Wir führen Rezepturen aus: also die Ärzte verschreiben Mischungen, die nicht im Handel sind und die die Apotheke selber herstellt.
Es gibt Apotheken, die machen nicht alles, wir sind aber eine Apotheke und Drogerie und in der Schweiz, was die Unterschiede erklärt.
Weiß man sich als Apotheker besser zu helfen wenn man krank wird?
Jain. Wenn ich weiss, was das Problem ist, kann ich die passenden Medikamente heraussuchen. Was das Problem ist, ist manchmal aber nicht so klar und obwohl ich einen medizinischen Hintergrund habe und sehr oft mehr als eine Ahnung, was es sein könnte, gehe ich bei manchem doch zum Arzt. Vielleicht nicht so schnell wie andere.
Steckt man sich häufig von den Patienten an?
Nein. Ich stecke mich häufiger an meinem Junior an als an meinen Patienten. Da besteht doch ein gewisser größerer Abstand – und wir achten auch sehr auf Hygiene wie Händewaschen und regelmäßiger Händedesinfektion, das hilft.
Woher kommt der manchmal strenge Geruch einer Apotheke?
Keine Ahnung. Ich muss auch sagen, dass Apotheken heute meiner Erfahrung nach kaum noch riechen. Früher kam ein eventueller Geruch wohl von der Eigen-Herstellung oder Abfüllen von Arzneimitteln und Chemikalien. Kampfer hat so einen typischen Geruch oder Baldriantinktur.
Wie viele Kunden kommen für ein Medikament und wie viele um sich einen Ratschlag abzuholen?
Hmm, nicht ganz einfach die Frage, weil der Übergang hier fliessend ist. Meist kommen aber die Leute mit einem Kaufwunsch in die Apotheke – und wissen eventuell noch nicht ganz was sie brauchen … ideale Voraussetzungen mit ein bisschen Beratung zu glänzen…
Ist es schwierig eine Distanz zu den Kunden zu wahren, wenn diese beispielsweise eine schwere Krankheit haben?
Es kommt darauf an. Nicht jeder Kunde, der eine schwere Krankheit hat teilt uns das mit … manches können wir natürlich von den Medikamenten ablesen, aber nicht, wie sehr jemand effektiv leidet. Aber es gibt eine Menge Patienten, zu denen wir nicht nur eine professionelle, sondern auch eine persönliche Bindung haben. Und wenn diese schwer krank werden oder leiden – dann leidet man mit. Das sind auch die, wo man wirklich alles macht, was möglich ist – von Notfall-Lieferungen bis Krankenhausbesuchen.
Inwiefern kann man als Apotheker „kreativ“ sein und selbst Medikamente oder Körperpflegeprodukte herstellen?
Man kann noch – allerdings in sehr viel eingeschränkterem Maß. Hausspezialitäten unterliegen auch Qualitätskontrollen und müssen angemeldet und kontrolliert werden. Wir machen das kaum mehr. Was wir noch machen sind „Spezialmischungen“ für Hautärzte auf Rezept.
Profitieren Apotheken von einer Krankheitswelle?
Im Sinn von, dass wir dann mehr Umsatz von Medikamenten machen, ja. Allerdings sind dann auch häufiger Mitarbeiter krank …
Sind die Preise der Arznei genormt oder stehen die Apotheken untereinander im Wettbewerb?
Ich rede hier für die Schweiz. Rezeptpflichtige Medikamente unterliegen gesetzlichen Vorgaben – auch die Preise sind hier reglementiert. Frei Verkäufliche Medikamente sind frei in der Preisgestaltung. Praktisch hängt das aber vom Fabrikabgabepreis ab und den Konditionen, zu denen wir einkaufen können. So überrascht es mich nicht, wenn die Unterschiede oft nur ein paar Rappen oder Franken betragen.
Wieso tragen Apotheker weiße Kittel oder generell weiße Kleidung?
Tradition. Weiß steht ausserdem für Reinheit und Wissen und schafft Vertrauen. Ich mag meinen Schurz. Sobald ich ihn anziehe weiß ich: ich bin in der Apotheke und die Leute wissen, dass ich Apothekerin bin …
Hast du schonmal auf deinen Kittel gekleckert?
Seit dem Labor an der Uni nicht mehr. Dort sah er aber entsprechend aus – samt den Säurelöchern … Heute wechsle ich meine Schürzen vor allem wegen der Kugelschreiberstriche an der Brusttasche.
Was macht dir Spaß an deinem Beruf?
Auch wenn ich mich manchmal über sie beklage: die Kunden und Patienten. Die Augenblicke, wenn man herausfindet, was der Person wirklich fehlt – und ein helfendes Mittel und Tipps dafür hat. Der Moment, wenn die Beratung gut und richtig war – und der Patient zurückkommt um sich zu bedanken. Die Befriedigung eine eigene Herstellung in der Hand zu haben, zum Beispiel die sorgfältig abgefüllten Kapseln für ein Kind, die es sonst nicht gäbe.
Bilder: Titelbild: Clker; Apothekenzeichen mit goldener Umrandung: Lupo / pixelio.de; Tabletten und Pillen: Bernd Kasper / pixelio.de; Apothekenzeichen an Hausfassade: FotoHiero / pixelio.de
Schönes Interview. Aber das Apotheken-A ist ein deutsches, Pharmama lebt und arbeitet aber in der Schweiz…
Nur so der oberkorrekten Apotheker halber…