Die meisten Menschen hier in Deutschland tragen außer zum duschen immer irgendeine Art von Kleidung, insgesamt geben wir jährlich 76,25 Milliarden Euro für Schuhe und Klamotten aus. Die Damenbekleidung liegt dabei mit knapp über 30 Milliarden Euro Umsatz klar vor der Herrenbekleidung mit gerade einmal 15,8 Milliarden. Aber egal von welcher Form der Bekleidung man redet, genäht werden muss sie eigentlich immer. Entweder industriell oder – immer beliebter – zuhause. Das Prinzip beim nähen ist dabei aber immer gleich. Aber wie funktioniert das eigentlich? Über diese und weitere Fragen klärt uns mein heutiger Interviewpartner Klaus, im Kundendienst für Nähmaschinen tätig, heute auf.
Wie funktioniert eine Nähmaschine vom Grundprinzip her?
Das Grundprinzip ist eigentlich relativ einfach, nur die Umsetzung ist etwas kompliziert. Bei der Nähmaschine muss man wissen dass es zwei Fäden gibt, einen Oberfaden und einen Unterfaden. Der Oberfaden ist der, der durch die Nadel geführt wird, der Unterfaden kommt praktisch aus dem Boden der Nähmaschine heraus.
Wenn die Nadel nun in den Stoff sticht, dann erzeugt sie an dieser Stelle ersteinmal ein kleines Loch, was wichtig für später ist. Der Oberfaden befindet sich dann unterhalb der Stoffe und wird von einem Greifarm so um den Unterfaden gewickelt, dass die beiden eine Schlaufe bilden. Die Nadel fährt dann wieder zusammen mit dem Oberfaden nach oben. Da der ja aber eine Schlaufe mit dem Unterfaden bildet, nimmt er den Unterfaden mit. Die Schlaufe, also der Punkt an dem die beiden Fäden miteinander „verbunden“ sind, befindet sich dann im Loch, während man oben eben den Oberfaden hat und unterhalb des Stoffes den Unterfaden. Durch die Schlaufen und die Spannung hält dieses System gut zusammen.
Es gibt zwar viele verschiedene Stiche, aber im Grunde funktionieren sie alle nach dem Grundprinzip von zwei Fäden, die sich gegenseitig festhalten.
Damit die Nadel jetzt nicht immer auf dieselbe Stelle einsticht, ist sie mit einem Mechanismus verknüpft, der den Stoff nach vorne zieht. Immer wenn die Nadel hochgeht, wird der Stoff mithilfe eines Greifarms und eines Zahnrades um ein kleines Stück weiterverschoben. Damit hat man eine gleichmäßige und schöne Naht.
Was kann man bei Nähmaschinen alles einstellen?
Bei den gängigen Maschinen wie der Bernina Nähmaschine kann man in der Regel Stichmuster und die Stichlänge einstellen. Und natürlich die Fadenspannung, die gerne auch mal falsch eingestellt wird. Dabei geht dann probieren über studieren. Die optimale Naht ist fest, aber nicht so straff dass sie sich in den Stoff frisst. Außerdem sollte von der Unterseite betrachtet der Oberfaden ganz leicht durchscheinen. Ist die Fadenspannung zu niedrig, dann sieht die Naht etwas ausgeleiert aus (was definitiv auf den ersten Blick ersichtlich ist), ist sie zu hoch, dann frisst sich die Naht in den Stoff. Auch das sieht nicht schön aus, von daher lohnt es sich da genau drauf zu achten.
Moderne Nähmaschinen nehmen einen diese Einstellungen aber auch schon ab, sind per Touchscreen zu bedienen und haben Extras wie Einfädelhilfen, automatische Fadenspannung oder Hilfen zum Stoffabschneiden. Auch hier hat die technische Entwicklung nicht auf der Stelle getreten.
Kann man alle Stoffe nähen oder sind dort Grenzen gesetzt?
Naja, auch eine leistungsstarke Nähmaschine kann nicht alles nähen. Wo die Grenze da genau liegt, dafür gibt es keine Zahl. Das ist wie bei Bohrmaschinen und harten Wänden eben auch. Das heißt aber nicht, dass man besonders robuste Stoffe nicht nähen kann! Es gibt ja auch die kugelsichere Mode, die ebenfalls mit Nähmaschinen zusammengenäht wird. Die Nähmaschine kommt durch, die Kugel nicht.
Wie weit kann man mit der Geschwindigkeit gehen?
Meines Wissens liegen die schnellsten Nähmaschinen für Heimanwender bei circa 1300 Stichen pro Minute. Bei einer gängigen Stichlänge von etwa 0,7 bis 0,8 Millimetern sind das 10,4 Meter Naht in einer Minute. Wobei das natürlich unrealistisch ist, da man natürlich nicht so schnell hinterherkommt. Die Maximalgeschwindigkeiten sind über die letzten Jahre aber auf jeden Fall gestiegen, wobei ich denke dass das irgendwann dann nur noch eine schöne Zahl ist. Denn beim nähen geht es ja nicht primär um Geschwindigkeit, sondern um eine qualitative Ausführung. Wenn ich mir einen Schal in 10 Minuten und 10 Sekunden statt in 11 Minuten und 37 Sekunden nähe, dann bringt mir das herzlich wenig wenn er dafür krumm und schief ist.
Können die Maschinen auch automatisch nähen oder braucht es immer jemanden der sie bedient?
Vollkommen selbstständig sind Nähmaschinen nicht, noch nicht einmal eine Industrienähmaschine kommt ganz ohne Bedienung aus. Wie oben angesprochen gibt es Einfädelhilfen oder Abschneidehilfen, aber das richtige Zusammennähen ist nunmal komplex, weil letztlich nicht immer genau derselbe Handgriff ausgeführt wird. Es kommen mehrere Handgriffe zusammen, die sich alle von Nähvorgang zu Nähvorgang unterscheiden. Zudem merkt ein Mensch wesentlich schneller, wenn etwas falsch läuft und wie er das Problem lösen kann. Da wir aber schon erstaunlich ausgereifte selbstfahrende Autos haben, kann ich mir in einigen Jahren aber auch vollautomatische Nähmaschinen vorstellen, denen man vor dem Frühstück Stoff und Faden in den Schrank legt und dann für den Weg zur Arbeit seine frisch genähte Jeans abholen kann . Ob es dann aber nicht günstiger wäre eine normale Maschine zu kaufen und jemanden anzustellen, ist eine andere Frage.
Welche Alternativen zum Nähen gibt es überhaupt?
Kleben hat sich als Alternative etabliert, vor allem was das flicken angeht. Jedoch kann es das nähen meiner Meinung nach nicht ersetzen, dafür ist es oft zu schwer anzuwenden (vor allem was das Dosieren angeht) und zu unhaltbar. Als Unterstützung für das Nähen – etwa damit nichts mehr verrutscht – ist es eine gute Sache. Aber nur kleben würde ich meine Kleidung nie.
Bilder: Titelbild: Clker; Nähmaschine mit Stoff: www.KreativeKaos.de / pixelio.de; bunte Fäden: Huskyherz / pixelio.de