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Wie verfolgt man Zugvögel? Daniel von der Movebank über den Animal Tracker, Störche und mehr

Zugvögel müssen sich um ihre schlanke Linie keine Gedanken machen. Was wir Menschen mit Auto oder Flugzeug zurücklegen, bewältigen sie nur mit Hilfe ihrer Flügel. Der fitteste Vogel der Welt ist übrigens ein Sturmtaucher, der in gerade einmal 200 Tagen 65.000 Kilometer zurückgelegt hat, das ist die Strecke von Ingolstadt nach Frankfurt – jeden Tag. Aber um das überhaupt herauszufinden, braucht es Wissenschaftler, die die Tiere mit Sendern ausstatten und dann ihre Flüge analysieren. Genau dafür ist auch die Movebank mit der zugehörigen App Animal Tracker (Apple/Android) da, mit der jedermann von zuhause die Tiere verfolgen kann. Der Projektkoordinator Daniel erklärt uns heute im Interview mehr über diese Projekte und was alles dahintersteckt.

 

 

Wie seid ihr auf die Idee für den Animal Tracker gekommen?

Das Rückgrat unserer Wissenschaft ist unsere Datenbank Movebank, in der alle Bewegungsdaten der von uns besenderten Tiere gespeichert sind. Es ist aber nicht besonders praktikabel, im Feld auf einem Laptop diese große Datenbank aufzurufen, um die Position eines Tieres zu finden. Dafür ist der mobile Ableger der Movebank, die Animal Tracker App viel besser geeignet. Außerdem können so auch Freiwillige ihre Beobachtungen direkt in unsere Datenbank laden.

Den eigentlichen Anstoß dazu hat aber eine Schülergruppe gegeben: in unserem Öffentlichkeitszentrum MaxCine hat eine Schülergruppe bei der Besenderung von Störchen geholfen und die ersten Flugversuche der jungen Störche mit unseren Wissenschaftlern gemeinsam beobachtet. Als dann die Störche ihren Herbstzug gen Süden angetreten haben, ist aus dieser Schülergruppe die Idee entstanden, doch eine App fürs Handy zu entwickeln, damit die Kinder den Zug „ihrer“ Störche auch noch in Afrika begleiten können. Die Idee hat uns so begeistert, dass wir sie dann umgesetzt haben.


 

Wie rüstet ihr die Tiere mit Sendern aus?

Die Tiere müssen dafür kurzzeitig gefangen werden und bekommen von uns dann einen kleinen Rucksack mit dem Sender. Am Beispiel der Störche ist das einfach erklärt: solange die Jungstörche noch flugunfähig in ihren Nestern stehen, kann ein Wissenschaftler mit der Drehleiter der Feuerwehr an dieses Nest gefahren werden und den Storch aus dem Nest nehmen. Der Storch wird vermessen, gewogen, bekommt einen Markierungsring und unseren Sender, der mit zwei Bändern wie ein Rucksack auf dem Rücken befestigt wird. Nachdem der Storch so „besendert“ ist, wird er mit der Drehleiter wieder in sein Nest gebracht.

 

Wie oft passiert es dass mal ein Sender verloren oder kaputt geht?

Ein Senderausfall ist natürlich immer sehr ärgerlich, da wir in der Regel viel Aufwand betrieben haben, um den Sender auf das Tier zu bekommen. Die Technik ist aber mittlerweile so gut und wir haben so viele Erfahrungen gesammelt, dass uns das nur noch sehr selten passiert. Was noch regelmäßig passiert, ist, dass die Sender keine Daten übertragen können, da sie in Gebieten sind, in denen keine GSM – also Handynetz-Abdeckung – herrscht, in der Sahara zum Beispiel. Sobald das Tier dann aber wieder in Gegenden mit Mobilfunkabdeckung ankommt – in diesem Fall also die Sahara überflogen hat – werden die Daten wieder übertragen.

 

Nehmt ihr da einfach zufällig ein Tier oder sucht ihr die nach bestimmten Kriterien aus?

Alle von uns besenderten Tiere sind „Teilnehmer“ wissenschaftlicher Studien. Wir können natürlich nicht einfach in den Wald gehen, Fallen aufbauen, Tiere fangen und diese besendern. Stattdessen müssen wir für jede Studie Tierversuchsanträge stellen, die dann von unabhängigen Experten begutachtet werden. Dabei müssen wir immer genau begründen, wie viele und welche Tiere wir aus welchen Gründen besendern wollen. Das ist ein sehr richtiger und wichtiger Prozess durch den sichergestellt und unabhängig überprüft wird, dass wir nicht aus Lust und Laune Wildtiere besendern, sondern nur um wissenschaftliche Fragen zu beantworten und auch immer nur mit der geringsten möglichen Zahl an Tieren.

 

Wer denkt sich die ganzen Namen für die besenderten Tiere aus?

Die meisten Namen stammen von Schulkindern die an unseren MaxCine-Programmen teilnehmen. In anderen Fällen vergeben die Wissenschaftler Namen.

 

Wie aktuell sind die Daten vom Animal Tracker? Ist das praktisch live oder mit Verzögerung?

Die Daten im Animal Tracker sind meist hochaktuell. Im Übersichtsfenster jedes Tieres wird auch immer angegeben, von wann der letzte Datenpunkt stammt. Die meisten Sender sind so programmiert, dass sie ein oder zweimal pro Tag eine SMS mit den letzten paar Positionen an die Movebank schicken. Wenige Augenblicke später sind diese Informationen dann auch im Animal Tracker.

 

 

Was für Erkenntnisse könnt ihr aus den Daten schließen?

Die Daten sind wirklich hoch spannend! Um bei den Störchen zu bleiben: wir haben im Sommer 2014 alle 60 Jungstörche eines Storchendorfes besendert um zu erfahren, ob die Tiere gemeinsam in den Süden ziehen, ob Geschwister immer zusammenbleiben oder ob sie getrennte Wege gehen. Wir können jetzt sehr schön zeigen, dass die meisten Böhringer Jungstörche die ersten Tage ihrer langen Reise zusammengeblieben sind. Je weiter sie über die Schweiz, Frankreich und Spanien nach Südwesten gekommen sind, desto mehr Störche aus anderen Regionen haben sich zusammengeschlossen. Sind unsere Störche am Bodensee in einer Gruppe von 27 Tieren losgeflogen, waren sie nur fünf Tage später in Spanien schon von tausenden anderen Störchen aus Mitteleuropa umgeben. In diese Zeit fällt dann auch die Trennung der Tiere.

 

 

Was hat euch am meisten erstaunt?

Das Spannendste sind immer die unvorhergesehenen Fälle: Im letzten Jahr haben wir zum Beispiel in Nordrussland Raufußbussarde besendert, um ihren Zug aus der Polarregion im Herbst gen Süden zu verfolgen. Den Kontakt zu einem der Sender haben wir schnell verloren – wir wussten nicht, was passiert war. Aber da wir monatelang keinen Kontakt hatten, sind wir davon ausgegangen, dass der Vogel in einem Gebiet ohne Netzabdeckung ums Leben gekommen ist. Sie können sich vielleicht vorstellen, wie überrascht wir waren, als wir von diesem Vogel nach über einem Jahr wieder eine Positionsmeldung bekommen haben – aus Seattle an der amerikanischen Westküste!


Was habt ihr für die Zukunft noch geplant?

In Zukunft wollen wir nicht mehr vom global betrachtet doch recht löchrigen Mobilfunknetz wegkommen. Daher entwickeln wir mit ICARUS ein System, bei dem die Sender auf den Tieren aus dem All ausgelesen werden. Im August des nächsten Jahres wird dazu auf der Internationalen Raumstation eine Antenne installiert, die die Signale unserer Sender empfängt und zur Bodenstation weiterleitet. Die ISS überfliegt den größten Teil der Erde mindestens einmal täglich und sammelt dabei die ganzen Bewegungsdaten unserer Tiere auf.

 

 

Bilder: Titelbild: Clker

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